Vier Gedanken zur Milchkrise
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Die Gründe für den Preisverfall sind vielfältig. Ganz einfach gesprochen ist das Angebot aktuell zu groß für die Nachfrage. Bedeutenden Einfluss auf die geringere Nachfrage nach Milch haben das EU-Embargo gegenüber Russland und eine deutlich geringere Nachfrage aus China.
In der politischen Debatten gibt es verschiedene Ideen zur Lösung der Krise. Unter anderem wird von zahlreichen Akteuren gefordert, die Menge der Milchproduktion zu drosseln. Von einer solchen Rückkehr zur Milchquote halte ich persönlich nichts. Auch bei einem direkten Eingriff in den Markt gäbe es Verlierer. Wer Gewinner und wer Verlierer wäre, würde aber politisch und nicht durch die Marktteilnehmer entschieden. Das ist unfair und intransparent. Außerdem: Auch mit Milchquote gab es schon Preisverfälle.
Für die Milchkrise gibt es nicht „die eine Lösung“, es gibt keinen Königsweg. Es gibt jedoch zahlreiche kleine Maßnahmen, die einzelnen Betrieben mittel- und langfristig helfen könnten. Nachfolgend vier Gedanken von mir
1. Marktposition der Landwirte stärken
Im deutschen Lebensmitteleinzelhandel herrscht eine große Konzentration: Wenige große Unternehmen bestimmen das Marktgeschehen und nehmen eine (zu) große Verhandlungsmacht gegenüber den Molkereien ein. Diese haben wiederum eine (zu) große Verhandlungsmacht gegenüber den Landwirten.
Damit eine soziale Marktwirtschaft funktioniert, braucht es Wettbewerb– aber zu fairen Bedingungen. Ich stelle in Zweifel, ob die aktuellen Marktmächte noch zu einem fairen Wettbewerb führen. Die Politik sollte darum die Position der Landwirte stärken.
Das ginge zum Beispiel mit Regelungen zur Vertragsgestaltung. Aktuell ist es zumeist so, dass ein Landwirt mit einer Molkerei einen Liefervertrag abschließt. Diese Verträge beinhalten eine Abnahmepflicht für die Molkerei und eine Andienungspflicht für den Landwirt. Gleichzeitig sind Kündigungsfristen von 18 bis 24 Monaten keine Seltenheit. Ist der Landwirt unzufrieden, kann er also erst ein bis zwei Jahre später den Vertragspartner wechseln – das schwächt seine Verhandlungsposition.
Ich könnte mir sehr gut einen Mechanismus vorstellen, der die Dauer der Kündigungsfrist an die Andienungspflicht knüpft. Also: Je länger die Kündigungsfrist, desto geringer muss die Andienungspflicht sein. Zum Beispiel: Wenn eine Molkerei auf eine Kündigungsfrist von 24 Monaten besteht, darf zugleich maximal eine Andienungspflicht in Höhe von 50% der Produktion vereinbart werden.
Ähnliche Regelungen bräuchte es dann für die Molkereien gegenüber dem Einzelhandel. Kurzum: Die Hebel der Landwirte und der Molkereien gehören mit Hilfe eines gesetzlichen Rahmens verlängert.
2. Kleinen Betrieben den Ausstieg erleichtern
In der Landwirtschaft findet seit Jahren ein Strukturwandel statt: Die Anzahl der Betriebe sinkt, die Größe der Betriebe nimmt zu. Einerseits kann man diese Entwicklung bedauern. Andererseits führt die Spezialisierung für die Verbraucher zu besseren Preis-Leistungs-Verhältnissen und für die Tiere zu besseren Haltungsbedingungen.
Statt also einzelnen Betrieben staatliche Prämien für nicht produzierte Milch zu zahlen, könnten Anreize für kleinere Betriebe gesetzt werden, aus der Milchproduktion über die nächsten Jahre auszusteigen. Betrieben, die nur wenige Kühe halten (ggf. auch nur im Nebenerwerb oder aus „historischen“ Gründen) und in naher Zukunft ohnehin größere Investitionsentscheidungen treffen müssen, könnte damit der Ausstieg erleichtert werden. Diese Betriebe hätten einen Anreiz für eine Spezialisierung in eine andere Richtung, während auf mittlere Sicht die Milchmenge reduziert würde.
3. Direktvermarktung stärken
Bei zahlreichen Molkereien erhalten Landwirte aktuell etwas mehr als 20 Cent pro Kilogramm Milch. Wird Milch direkt verkauft – zum Beispiel über eine „Milchtankstelle“ – können Preise von 90 Cent und mehr pro Liter erzielt werden. Die logische Schlussfolgerung daraus ist, dass die Direktvermarktung gestärkt werden sollte.
Eine Hürde stellen aktuelle Regelungen zur Lebensmittelhygiene dar. Die vom Landwirt direkt verkaufte, so genannte Rohmilch, darf nur direkt vom Hof verkauft werden. Was aber ist, wenn der Hof weit ab von größeren Straßen liegt? Verbraucher werden wohl kaum mehrere Kilometer auf Feldwegen in Kauf nehmen, nur um zwei Liter Milch zu kaufen.
Es muss möglich sein, den Direktvertrieb ohne die Einschränkung der Lebensmittelsicherheit zu stärken. Denkbar sind zum Beispiel Milchtankstellen in Ortskernen oder der Direktvertrieb in Form der Lieferung zur Haustür. Wir verschiffen verderbliche Lebensmittel quer über den Globus – warum sollten nicht drei Milchviehbetriebe gemeinsam im Stadtkern von Coesfeld eine Milchtankstelle betreiben können.
4. Veredelung vorantreiben, Marketing stärken
Besonders stark vom Preisverfall betroffen, ist die Rohmilch, also die einfache Form vom Produkt. Weniger stark bzw. nicht vorhanden ist der Preisverfall bei veredelten Produkten wie zum Beispiel Käse. Hier wünsche ich mir eine verstärkte Beratung für Landwirte, selbstständig in kleinerem Umfang in die Veredelung einzusteigen. Ein solcher Schritt wäre in Kooperation mit anderen Betrieben sicherlich einfacher zu gehen. Das gilt ebenso für ein verstärktes Marketing der Branche und der einzelnen Betriebe. Hier sind die Landwirte gefragt, ganz nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber.“.